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Ein Blick auf die Farbfotografie:

von Wolfgang Hock

 

Die Abbildungen unten dienen nicht der Unterhaltung und Illustration, sondern der Veranschaulichung meines Gedankenganges, der in meinem Text verdeutlicht wird. Ohne diese Abbildungen - nur mit Worten - wäre es unmöglich, dies zu realisieren, da es um die Geschichte des Sehens geht.

 

Die Farbfotografie beginnt sich erst ab 1937 und in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts weltweit auszubreiten, eingeführt fast gleichzeitig von Kodak und Agfa.

Die chemische Farbfotografie hat sich also sogar nur 70 Jahre gehalten, eine sehr kurze Zeit im Verhältnis zu dem projizierten Linsenbild.

Der Wunsch, farbig zu fotografieren, ist so alt wie die Fotografie selbst. Schon einer der Erfinder der chemischen Fotografie, Joseph N. Nièpce (1765 - 1833), bedauerte es, keine Farbbilder herstellen zu können.

Man versuchte, dem Problem zu entkommen, indem man schwarz-weiße Fotografien bemalte; eine Technik, die später noch viele Maler ernährte.

Erst mit der Erfindung der Gebrüder Lumière begann die Farbfotografie interessant zu werden, denn ihre 1903 herausgebrachten Autochromeplatten wurden bereits industriell gefertigt.

Doch erst mit der Erfindung der dünnen Mehrschichten-Farbumkehrfilme von Kodak und Agfa ab dem Jahre 1937 erfolgte die weltweite Verbreitung der Farbfotografie.

 

Farbfotografie von 1965,
noch ganz anders als die heutige digitale Fotografie ...
Farbfotos von: Wolfgang Pöppinghaus 1965
(abgebildete Personen: Meine Mutter, mein Vater und Karin Pöppinghaus)

 

Bis weit in die 50er Jahre hinein dauerte es, bis man die Farbfotografie auch in Büchern, Zeitschriften, Katalogen, Plakaten usw. qualitativ gut drucken konnte.

Schwarz-Weiß-Fotografien konnte man bereits exzellent reproduzieren, aber farbige Fotos noch nicht. Aber man war wie verrückt nach den angeblich "echten" Bildern, den "bunten" Bildern, wie man damals sagte, "mit der absolut getreuen Farbwiedergabe".

Die Schwarz-Weiß-Fotografie galt bereits schon wieder als überholt ...

 

(abgebildete Personen: Famile HOCK, das Baby bin ich)

 

Beispiele für SW-Fotografie von 1957

 

(abgebildete Personen: Familie Klavitz aus Ägypten, Ellen Gebhardt, meine Eltern, Helmut und ich)

 

Beispiele für SW-Fotografie Anfang 60er Jahre

 

Wer es sich leisten konnte, machte keine SW-Fotografien mehr, sie waren schnell 'out'. Nun ging es darum, farbige Abbildungen auch in modernen Büchern und Zeitschriften zu veröffentlichen.

Deshalb gab es damals - eigentlich noch gar nicht so lange her - ein Heer von 'Foto-Malern', meist wurden sie 'Illustratoren' genannt, die für Verlage arbeiteten und nichts anderes taten, als in Handarbeit SW-Fotos 'naturgetreu' und "bunt" abzumalen, um dann in den jeweiligen Publikationen reproduziert zu werden, wieder auf Foto-Basis.

Hier ein Beispiel aus den 50er Jahren:

 

Spannbetonbrücke in Worms (Nibelungenbrücke):
Ein Arm der Mittelöffnung entsteht im Freivorbau. Dyckerhoff & Widmann
sog. "Zeichnung" von Fritz Kück 1954

aus: Westermanns Monatshefte, Chefredakteur Hermann Boeckhoff, Braunschweig 1954,
Jahrgang 1954, Heft 1, S. 28.

 

Eigentlich ein recht kompliziertes und umständliches Verfahren: Von einem Schwarz/Weiß-Foto macht man ein hand-gemaltes 'buntes' Bild und stellt davon wieder ein Farbfoto her, um es vervielfältigen zu können in hohen Druck-Auflagen. Gute Farbaufnahmen vor Ort waren oft zu teuer und auch mit zu viel technischem Aufwand verbunden.

Dem Publikum fiel das meist überhaupt nicht auf - wie immer: Hauptsache bunt und so naturgetreu wie möglich. Übrigens, alles wie heute auch.

Erst durch den zeitlichen Abstand heute wird uns klar, dass die Bilder weder wirklich bunt noch naturgetreu waren. Und wer heute wieder nicht genau hinschaut, dem fällt nur eines auf: Wirkt alles recht altmodisch !

Die "Zeichnungen" - wie man es damals nannte - von Fritz Kück aus dem Jahre 1954 sind solche per Hand abgemalte Dokumentarfotos 'in bunt', damit man dem 'altmodischen' Schwarz-Weiß entkommen konnte.

In diesem Fall wurde wenigstens noch der Name des Malers genannt; meistens wurde nämlich die Sache der Autorenschaft völlig verschwiegen, um die Herstellungsprozesse zu verschleiern.

Hätte man darüber nachgedacht, wäre nämlich der Begriff der Dokumentation ins Wanken geraten. Aber 'bunt' war damals wichtiger als Schwarz-Weiß-Dokumentarfotografie, die nicht mehr als naturgetreu und deshalb als überholt angesehen wurde.

Damals wirkten aber diese bunten Bilder ganz und gar nicht altmodisch, sondern genauso wie das, was wir heute für den letzten Schrei halten, z.B. digitale Fotos im Riesendruck.

Was sich gewandelt hat, ist unsere Sehweise.

Wir meinen heute, die hochauflösende digitale Fotografie von heute sei naturgetreu, sei die Wirklichkeit, genauso wie damals diese Bilder wahrgenommen wurden !

In 30 Jahren wird man das, was man heute als absolut naturgetreu ansieht, genauso wieder für altmodisch halten, wie wir heute diese Bilder aus den 50er Jahren.

Ich glaube, nur wenn man das einmal wirklich grundlegend und umfassend begriffen hat, kann man verstehen, was Sehen ist, was Kunst ist, was Bewusstsein ist und sich davor schützen, manipuliert zu werden in allen unseren Denkweisen und Handlungen. Hier steckt die Möglichkeit zu Freiheit und Selbstverwirklichung, etwas, was immer und zu allen Zeiten bedroht wird auf vielfältigste Weise, vor allem durch das Visuelle im Fernsehen und den sog. "Medien".

Das Begriffliche kommt erst später, ist abgeleitet aus dem Visuellen.

Alles im Gegensatz zu dem, was uns täglich - bis heute - 'offiziell' vermittelt wird (im Fernsehen, im Internet, in der Tagespresse, in den Illustrierten usw.).

In der Werbebranche war ein noch viel zahlreicheres Heer von Fotomalern am Werk. Hier zwei Beispiele aus den beginnenden 60ern. Das erste stellt eher noch eine freie Übersetzung von einem Foto dar, das zweite kopiert schon ganz deutlich, mit stark idealisierender Tendenz:

 

Reklame für BOSCH Haushaltsgeräte aus dem Jahre 1960
Bild von dem Bosch-Werbegraphiker mit dem Kürzel HM 7 60

"BOSCH-Haushaltsgeräte bringen der Hausfrau die oft ersehnte Freizeit und verhelfen auch ihr zu größerer Freude am Garten"

aus: Westermanns Monatshefte, Chefredakteur Hermann Boeckhoff, Braunschweig 1960, Jahrgang 1960,
Heft 5, S. 138 (Hintere Umschlagseite)

 

Kaffee-Werbung aus den 50er Jahren (Jacobs Kaffee)
Gemalt von Ooievaar 1961

aus: Westermanns Monatshefte, Chefredakteur Hermann Boeckhoff, Braunschweig 1961, Jahrgang 1961,
Heft 12, S. 99.

 

Heute wird in der Werbung sehr viel mit Photoshop gearbeitet, um ebenfalls verschönte ("perfektionierte") Bilder zu bekommen, nur heute fällt uns das wieder nicht auf. Wenn wir die alten Bilder von damals sehen, können wir gar nicht verstehen, dass man das nicht gesehen hat.

Jetzt einige Beispiele aus der Reisefotografie (Reportage) aus dieser Zeit:

Bei den folgenden Farbfotos wurde schon nicht mehr gemalt, eventuell noch retuschiert. Bei dem Foto aus Arabien sind viele Teile des Bildes, insbesondere die Pflanzen, nachgezeichnet worden. Damit hatte die Farbfotografie Einzug gehalten in den Publikationen.

 

Das Grabmal eines Marabut an der Straße nach Touggourt
Farbfotografie von Maywald

aus: Westermanns Monatshefte, Chefredakteur Hermann Boeckhoff, Braunschweig 1954, Jahrgang 1954,
Heft 9, S. 60.

 

"Indien - Radschputana - Land der Ritter"
Reichgeschmückter Staatselefant im Hof des Palastes Bundi
Bild von Ludwig Alsdorf 1955

aus: Westermanns Monatshefte, Chefredakteur Hermann Boeckhoff, Braunschweig 1955, Jahrgang 1955,
Heft 6, S. 26.

 

"Junge Watussi-Tänzer. Sie tragen weiße Perücken mit langen Zöpfen aus Affenhaar und Perlenschnüren."
Farbfotografie von Covello / Black Star

aus: Westermanns Monatshefte, Chefredakteur Hermann Boeckhoff, Braunschweig 1958, Jahrgang 1958,
Heft 2, S. 31.

 

Das waren solche Bilder, wie man sie heute z.B. in der Zeitschrift "GEO" in digitaler Manier zu sehen bekommt. Nur wirken die damaligen Bilder auf uns heute ganz und gar nicht mehr naturgetreu und fotografisch, sondern eher wie gemalte Bilder, vor allem in ihren Farben, die uns eher pastell-farbig anmuten. Aber damals war das naturgetreu, grell und bunt, genau das, was man sehen wollte: Fremde exotische Kulturen, auch sog. "primitive Völker" in High Tech.

Eigentlich wie heute, oder ?

Heute sehen wir, dass diese Bilder von damals nicht 'wirklich' waren, wir nehmen das Medium wahr. Aber sehen wir das auch bei den heutigen digitalen High-Tech-Bildern, die wir in unseren Zeitungen, an riesigen Reklame-Wänden und im Internet sehen ? Wieder meinen wir, das sei die Wirklichkeit, wie damals.

Alles wiederholt sich ...

Hier noch zwei Beispiele aus der frühen 60ern:

 

Galata-Brücke in Istanbul
Farbfoto von Rosmarie Pierer 1962

aus: Westermanns Monatshefte, Chefredakteur Hermann Boeckhoff, Braunschweig 1962, Jahrgang 1962,
Heft 4, S. 11.

 

San Francisco: Powell Street
Farbfotografie von Heinz Duddeck 1962

aus: Westermanns Monatshefte, Chefredakteur Hermann Boeckhoff, Braunschweig 1963, Jahrgang 1963,
Heft 7, S. 37.

 

Und dann kam auch das Fernsehen - die bewegte Wirklichkeit von draußen - in die Wohnzimmer, zunächst erst wieder in Schwarz-Weiß:

 

"Grundig Zauberspiegel", bunte Reklame von 1963
Bild von dem Grundig-Werbegraphiker mit dem Kürzel S 360

aus: Westermanns Monatshefte, Chefredakteur Hermann Boeckhoff, Braunschweig 1963, Jahrgang 1963,
Heft 12, S. 119.

 

Es war wirklich wie Zauberei: Die 'Wirklichkeit' im Wohnzimmer, damals noch in Schwarz-Weiß. Aber bei einer Bildschirmgröße von 69 cm war das wirklicher als die Wirklichkeit...

 

Die Abbildungen dienen nicht der Unterhaltung und Illustration, sondern der Veranschaulichung meines Gedankenganges, der in meinem Text verdeutlicht wird. Ohne diese Abbildungen - nur mit Worten - wäre es unmöglich, dies zu realisieren, da es um die Geschichte des Sehens geht.

 

 

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